Kann die Beschäftigung mit Rap-Musik, die Produktion eines eigenen Songs und eines Videos die Einstellung zu Gewalt und insbesondere die Einstellung zu Gewalt in der Sprache verändern? Das war die zentrale Frage, die wir uns gestellt haben.
Wege zur Gewaltprävention im Workshop
Gewaltprävention durch das Erkennen unterschiedlicher Arten von Gewalt. Zugang zu persönlichen Geschichten in offener Diskussionsrunde
In einer offenen Diskussionsrunde über Gewalt werden den Jugendlichen dynamisch Fragen gestellt, um ihre Sichtweisen auf und Erfahrungen mit Gewalt gemeinsam zu besprechen. Dabei streuen die Workshop-Leitenden Stichworte ein, die in der Diskussion besprochen werden sollten. Die Teilnehmenden nennen verschiedene Formen, die sie bereits als Gewalt erlebt haben. Diese können sein:
- Physische Gewalt wie Prügel und Schlagen
- verbale Gewalt, insbesondere Beleidigungen, Slut-Shaming, Gerüchte verbreiten
- Ausgrenzung, Aufgrund von Kleidung, durch Stereotype („klein = Zicke“)
- Rassismus (Leute gehen aus der Bahn, wegen dunkler Hautfarbe)
- verdeckte, als Spiel getarnte Gewalt (z.B. jemanden mit Filzstiften bemalen)
Diese Diskussionsrunde kann zu sehr persönlichen Erlebnisberichten von Mobbing, Ausgrenzung, Beleidigung und physischer Gewalt in Form von Prügel führen. Der Zugang zu diesen Geschichten ist nur möglich aufgrund einer persönlichen und wertschätzenden Atmosphäre, die in der Workshop-Struktur in den vorherigen Bausteinen aufgebaut werden muss (siehe Methoden). Gewalt wird an dieser Stelle auch als Form von Macht und Unterdrückung auf gesellschaftlicher Ebene thematisiert.
Gewaltprävention durch das Verstehen des Produktionsprozesses von Hip Hop Musik. Umwandlung der persönlichen Geschichten in konstruktive Kreativität, statt destruktiver Gewalt
Die Teilnehmenden werden im Workshop selbst zu Produzent*innen von Rap-Musik und einem Video und brechen somit aus ihrer Rolle als bloße Konsument*innen aus. Durch das selbsttätige Durchleben des Produktionsprozesses eines Rap-Songs und des anschließenden Videodrehs lernen die Teilnehmenden unterschiedliche Motivationen zum Texte schreiben, unterschiedliche Interpretationen eines Texts sowohl in der Audio- als auch in der Visuellen Umsetzung, Limitationen im Produktionsprozess und andere Einflussfaktoren auf Rap-Texte und -Videos kennen, die sie vorher nicht reflektieren können, da sie sie schlichtweg nie selbst erfahren haben.
Was hat es wirklich bewirkt ?
Besonders im Block Rap-Geschichte, der ebenfalls als offene Diskussionsrunde gestaltet wurde, aber auch im Block Text, in dem Songtexte von anderen Künstler*innen diskutiert wurden gingen die Workshop-Leitenden auf die Darstellung von Gewalt und die dazugehörigen kulturellen Kontexte ein. Die Teilnehmenden zeigten sich sehr interessiert daran zu hören, dass verbale Gewalt in der Hip Hop Kultur der 90er Jahre in den ärmeren Vierteln von New York City ein Mittel zur Verhütung von physischer Gewalt war, sowie ein spielerisches Element, auf dass sich beide Seiten einigten. Ebenso wurde die Kommerzialisierung von Rap Musik heute thematisiert, die zu massenhafter Reproduktion von Gewaltdarstellungen führt, weil sie sich gut verkaufen lässt. Diese Darstellungen haben aber in vielen Fällen immer weniger mit Hip Hop Kultur und authentischen Erfahrungen der Künstler*innen zu tun.
Die Jugendlichen im Workshop verstanden dies und nutzten Hip Hop stattdessen, um echte, persönliche Geschichten zu erzählen, problematische Zustände aus ihrer Sicht zu beschreiben, Positives zu beschreiben und sich den Kopf frei zu schreiben („Urlaub im Kopf zu machen“, wie es ein Teilnehmender ausdrückte). Dies zeigt sich auch offenkundig im Text (Shout it Out) und im Video der Jugendlichen.
Text: Fabian Hellmuth